Zweite Aktionstage gegen Abschiebungen mit der Lufthansa

Anläßlich des ersten Todestages von Aamir Ageeb an Bord des Lufthansa-Linienflug LH 558 hatte das bundesweite Netzwerk KEIN MENSCH IST ILLEGAL wieder zu Aktionstagen auf. In Berlin, Hamburg, Bremen, Frankfurt, Köln, Freiburg, München, Regensburg, Würzburg und Tübingen protestieren zwischen dem 26. und dem 28. Mai 2000 AktivistInnen und Aktivisten gegen Abschiebungen durch die Lufthansa.

Freitag 26.05.2000 Flughafen Hamburg-Terminal 4

Der 2. Aktionstag zu Lufthansa und Abschiebungen hat heute in Hamburg erfolgreich stattgefunden. Die breit verteilten Ankündigungsflugbläter hatten zu der Aktion, die zum Gedenken an Aamir Ageebs Tod an Bord einer Lufthansamaschine am 28.05.1999 während seiner abschiebung in den Sudan errinern. Ziemlich aufällig standen Polizei und Flughafe personnal verstärkt durch Hundebegleitung rum, wahrscheinlich hoffend, das zu verhindern. Trotzdem gelang es den 40 "AktivistInnen" aus verschiedenen zusammenhängen in dem ziemlich vollen Flughafen, eine Check-In-Reihe zu bilden und spontan eine mitgebrachte Gedenktafel für Aamir Ageeb auf den Boden zu stellen mit Blumen Kerzen, Transparenten, Musik- und Redebeiträgen zu Ageebs Tod, zur Karawane, zu "Kein mensch ist illegal" und dann von Freunden von Ageeb selbst. Die Aktion endete nach eine Stunde mit der Ankündigung: "Wir werden immer wieder kommen bis es keine Abschiebungen mehr gibt." Den sudanesischen Freunden von Ageeb wurde die Tafel überreicht und der zuständige Mensch von Lufthansa versuchte in einem persönlichen Gespräch mit der ganzen Gruppe klar zu machen, dass nicht die Lufthansa für den Tod von Ageeb verantwortlich sei.

Eine eineinhalb Stunden Aktion in einem vollen Flughafen, mit ganz vielen Menschen, die nach weiteren Informationen fragten und sich empörten über Ageebs Tod. Hoffentlich werden sie alle im Flieger ein bisschen aufmerksamer und mutiger.

Mittwoch 24.05.2000 Flughafen Hannover Langenhagen

Am 24. Mai hat am Flughafen Hannover-Langenhagen eine Aktion zum Todestag von Aamir Ageeb sowie zur geplanten Abschiebung von Frau Kimbolo in den Kongo stattgefunden. Es waren rund 20 Leute da, es wurden Flugis verteilt, Transparente vor dem Eurowingsschalter ausgebreitet und mehrere Redebeiträge gehalten. Nachdem uns nach 45 Minuten mit Hausverbot und Räumung gedroht wurde, beendeten wir unsere Beiträge und verliessen lautstark das Gebäude.

Flughafenaktion Hannover/Langenhagen am 24.5. 2000 Redebeitrag:

Am 28. Mai jährt sich der Todestag von Aamir Ageeb, der bei seiner gewaltsamen Abschiebung von der Polizei ermordet wurde. Wir sind hier um gegen die Abschiebungen über die Flughäfen zu protestieren.

Wir protestierenaus aktuellem Anlass gegen die Abschiebung von Frau Kimbolo. Die 22-jährige Frau soll über diesen Flug mit der Gesellschaft EUROWINGS gegen ihren Willen in den Kongo abgeschoben werden. Sie hat Angst vor der Abschiebung, da sie nicht weiß, was sie dort erwartet.

Jedes Jahr werden aus Niedersachsen rund 4.000 Menschen abgeschoben. Die überwiegende Mehrheit wird über den Flughafen Langenhagen abgeschoben. Wie rigide und brutal der Staat Abschiebungen durchsetzen will, wird bei Abschiebungen auf dem Luftweg besonders deutlich. Die Menschen, die abgeschoben werden sollen, werden gefesselt, geknebelt und mit Medikamenten "ruhiggestellt", das Recht auf körperlich Unversehrtheit gilt für sie nicht. Dies geht so weit, dass sogar der Tod der Betroffenen in Kauf genommen wird, um das Abschiebeinteresse des Staates durch BGS-Beamte durchzusetzen.

Das letzte Todesopfer dieser mörderischen Deportationspraxis war der sudanesische Asylbewerber Aamir Ageeb, der vor einem Jahr, am 28. Mai 1999, mit einer LUFTHANSA-Maschine nach Kairo abgeschoben werden sollte. Fünf BGS-Beamte haben ihn in das Flugzeug gezwungen. Aamir Ageeb war von ihnen an Händen und Füßen gefesselt worden, außerdem hatten sie ihm einen Motorradhelm aufgesetzt, um seinen Widerstand zu brechen. Während des Flugzeugstarts drückten die drei BGS-Beamten seinen Oberkörper auf die Oberschenkel, so dass Aamir Ageeb erstickte. Er war damit das vierte Todesopfer bei einer versuchten Abschiebung auf dem Luftweg aus Europa innerhalb eines Jahres. Die Gleichgültigkeit der Verantwortlichen zeigt, wie weitreichend der rassistische Konsens in dieser Gesellschaft ist, und wie sehr die mörderische Abschiebepraxis zur Normalität geworden ist.

Wir fordern: -Schluss mit den mörderischen Abschiebungen

Die Fluggesellschaften spielen innerhalb der Abschiebemaschinerie eine nicht unwesentliche Rolle, denn ohne deren Mithilfe könnten Abschiebungen nicht ohne Probleme abgewickelt werden. In Deutschland werden die meisten Abschiebungen mit der LUFTHANSA durchgeführt. Für sie sind Abschiebungen ein lukratives Geschäft. Allein vom Flughafen Frankfurt/Main wird die Hälfte der jährlich ca. 10.000 abgeschobenen MigrantInnen mit LUFTHANSA-Maschinen deportiert. Seit März 2000 protestiert das antirassistische Netzwerk "kein Mensch ist illegal" gegen die Beteiligung der Lufthansa AG am Abschiebegeschäft. Infolgedessen sah sich die LUFTHANSA genötigt, mit folgender "Klarstellung" an die Öffentlichkeit zu treten. Sie behauptete: "Die Lufthansa lehnt Abschiebungen gegen den Widerstand der Betroffenen grundsätzlich ab und befördert sie seit Juni 1999 nicht mehr." Entgegen dieser Darstellung sieht die Wirklichkeit anders aus! Auf dem Lufthansaflug LH 4115 Paris-Berlin am 13. März haben zwei zivil gekleidete französische Begleitpolizisten nach Aussagen eines Leipziger Professors einen Abzuschiebenden inhuman und mit exzessiver Gewalt behandelt. Trotz der Schreie des Opfers und der Proteste einiger Passagiere hat die Crew zunächst nicht reagiert, bis dem Flugkapitän mit juristischen Schritten gedroht wurde. Daraufhin wurde der Flug abgesagt und alle Passagiere mussten das Flugzeug verlassen. Bekannt wurden außerdem zumindest zwei weitere Zwangsabschiebungen in Lufthansa-Maschinen von Frankfurt in den Jemen und nach Sri Lanka. Auch der kurdische Flüchtling Abdulcabbar Akyüz aus Wiesbaden wurde eindeutig gegen seinen Willen von zwei Polizeibeamten und einem Arzt im Februar diesen Jahres mit einer Lufthansa-Maschine nach Istanbul abgeschoben. Flugbegleitern und Piloten ist von einem Stopp bei Abschiebungen durch die Lufthansa ebenso nichts bekannt. Auf dem Flughafen Hannover wird aber wie jetzt gerade wieder durch die Fluggesellschaft EUROWINGS und Andere abgeschoben.

Boykottdrohungen in Belgien und den Niederlanden haben die niederländische MARTIN AIR veranlasst, das tödliche Geschäft mit den Abschiebungen aufzugeben. Nach dem Mord an Samira Adamu sah sich auch die belgische Fluggesellschaft SABENA gezwungen, keine gewaltsamen Abschiebungen mehr durchzuführen. Andere europäische Fluglinien wie AIR FRANCE und die niederländische KLM fürchten bereits um ihr Image.

Wir fordern: -Schluss mit den Abschiebungen durch die LUFTHANSA, EUROWINGS und anderen Fluggesellschaften.

Die Abschiebemaschinerie schafft aber noch weitere Opfer, wie der Suizid der algerischen Asylbewerberin Naimah H. im Transitbereich des Frankfurter Flughafens zeigt. Sieben Monate wurde sie in einem Internierungslager auf dem Flughafen eingesperrt. Ohne Aussicht auf Asyl und mit der drohenden Abschiebung in den Folterstaat Algerien vor Augen, hielt sie den Druck und die seelische Belastung nicht mehr aus und nahm sich schließlich das Leben. Der Kommentar aus dem Innenministerium Otto Schilys: "Naimah H. ist selber dafür verantwortlich, sie hätte ja ausreisen können."

Wir verurteilen diese menschenverachtende Sichtweise und fordern den sofortigen Rücktritt Schilys und die Abschaffung des tödlichen "Flughafenverfahrens".

Was können Sie als Fluggast gegen Abschiebungen unternehmen: Verhindern Sie die gerade stattfindende Abschiebung von Frau Kimbolo! Auch für sie als Fluggäste gibt es Handlungsmöglichkeiten:

Protestieren Sie lautstark! Setzen sie sich nicht hin! Schnallen sie sich nicht an! Fordern Sie das Personal auf, die Abschiebung nicht durchzuführen! Verweisen Sie auf die Verletzung der Menschenrechte! Jeder Flugkapitän kann eigenständig entscheiden, ob er startet oder nicht! Fordern Sie ihn dazu auf, die Durchführung der Deportation zu verweigern! Drohen Sie mit Fluglinienboykott! Bringen Sie Ihre Beobachtungen an die Öffentlichkeit! Greifen Sie ein! Ihr Eingreifen kann Leben retten!

Wir fordern Sie auf, aktiv mit Mut und Solidarität gegen rassistische Praxis und Hetze einzugreifen! Abschiebungen verhindern, Grenzen auf für Alle!

Samstag 27.5.2000, Flughafen Köln-Bonn

Aktionstag gegen Abschiebungen durch die Lufthansa
Etwa 50 Menschen haben heute aus Anlass des Todestages von Aamir Ageeb vor dem Lufthansaterminal auf dem Flughafen Köln-Bonn gegen Abschiebungen durch die Lufthansa protestiert, darunter auch einige „FlugbegleiterInnen gegen Abschiebung“. Die „Lufthansa-Crew“ führte ein Transparent mit der Aufschrift „DeportationClass“ mit sich und forderte das Flugpersonal anderer Fluggesellschaften sowie die Fluggäste mit Handzetteln und per Megafon zum Handeln gegen Abschiebungen auf. Von der Lufthansa fordern sie den sofortigen Ausstieg aus dem Geschäft mit Abschiebungen. Die wartenden Passagiere und das anwesende Flugpersonal reagierten überrascht auf die ungewöhnliche Aktion auf dem Airport und nahmen die Informationen mit großem Interesse auf. Zur Erinnerung an den Tod von Aamir Ageeb stellten die Demonstranten vor dem Flugschalter der Lufthansa eine Tafel auf und legten Blumen nieder. Die DemonstrantInnen warem dem Aufruf des Kölner Netzwerks KEIN MENSCH IST ILLEGAL gefolgt.

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