Deportation Class
    Reuters 17.06.2001

Lufthansa-HV zwischen Gewinnwarnung und "E-Protest"

Frankfurt, 17. Jun (Reuters) - Für Lufthansa-Chef Jürgen Weber dürfte der Gang vor seine Aktionäre auf der Hautpversammlung am Mittwoch nicht leicht werden. Kaum hatte der Konzern den heftigen Tarifstreit mit seinen Piloten überstanden, reduzierte er drastisch die Gewinnprognose - unter anderem wegen der kräftigen Gehaltserhöhungen für die Flugzeugführer. Die ohnehin von Tarifkonflikt und Konjunktursorgen belastete Aktie erhielt einen weiteren Dämpfer und stürzte auf ihren tiefsten Stand seit zwei Monaten. Aktionärsvertreter kündigten kritische Fragen für die Hauptversammlung an. Zudem dürfte Weber erneut mit Protest gegen das Ausfliegen abgeschobener Asylbewerber konfrontiert werden. Abschiebungsgegner wollen mit einer "Online-Demonstration" die Homepage der Lufthansa lahmlegen.
Mit dem vergangenen Geschäftsjahr dürften die Lufthansa-Aktionäre eigentlich zufrieden sein. Mit zweistelligen Zuwachsraten bei Umsatz und Gewinn erzielte das Unternehmen sein zweitbestes Ergebnis in der Firmengeschichte und behauptete seine Spitzenposition unter den europäischen Fluglinien. Dafür soll es auch eine um sieben Prozent auf 0,60 Euro angehobene Dividende geben. Allerdings brach das Ergebnis im ersten Quartal dieses Jahres fast um hundert Prozent ein, wobei Analysten nicht ausschlossen, dass sich der Konzern für eine bessere Verhandlungsposition mit den Piloten "arm gerechnet" habe.
Schon bald nach Verkündung der positiven 2000er Zahlen waren für die Lufthansa dunkle Wolken am Himmel aufgezogen. Analysten prognostizierten ein konjunkturell bedingt schwieriges Jahr 2001, und die Piloten- Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) verlangte für die Flugzeugführer saftige Gehaltsanhebungen. Die Tarifverhandlungen zwischen Lufthansa und VC arteten in einen für den Konzern wenig Image fördernden und kostspieligen Konflikt aus. Mehrmals legten die Piloten mit Streiks den Flugverkehr lahm, und am Ende stand ein Tarifabschluss, der die Lufthansa rund 250 Millionen Mark kostet. Hinzu kämen 150 Millionen Mark Aufwendungen für die Streiks. Diese Kosten sowie die Auswirkungen der weltweiten Konjunkturabschwächung veranlassten die Lufthansa, ihre Erwartungen für das operative Ergebnis 2001 um fast ein Drittel zurückzuschrauben. Statt rund einer Milliarde Euro würde nunmehr nur noch mit 700 bis 750 Millionen Euro gerechnet, hieß es dieser Tage.
Analysten und Branchenkenner kritisierten, dass die Lufthansa die Problematik mit den Piloten-Gehältern nicht früher erkannt und in Angriff genommen hatte. Der Aktienkurs der Lufthansa dürfte die Anleger nicht unbedingt zu Beifallsstürmen hinreißen. Das Papier pendelte zuletzt um 20 Euro und damit gut ein Viertel unter seinem Niveau zu Jahresbeginn.
Zu dem Streit mit den Piloten werde er auf der Hauptversammlung am Mittwoch in Köln wohl "einige kritische Fragen" stellen, kündigte Aktionärsvertreter Axel Zülke von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) am Freitag an. Die Verhandlungstaktik der Lufthansa sei "nicht optimal" gewesen. Auch der Chef der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), Ulrich Hocker, will den Lufthansa-Vorstand zur Rede stellen. Die Gewinnwarnung habe die Aktionäre Geld gekostet. Die Lufthansa-Führung müsse genau erklären, wo die Ergebnisbelastungen "wirklich herkommen".
Wie bereits auf der Hauptversammlung im vergangenen Jahr wollen auch diesmal Abschiebungsgegner die Lufthansa an einem sehr wunden Punkt treffen. Die Fluglinie ist gesetzlich gezwungen, abgeschobene Ayslbewerber in ihre Heimatländer zurückzufliegen. Verschiedene Gruppen wie die "kritischen Aktionäre" werfen der Gesellschaft vor, daraus Profit zu schlagen. Bereits vergangenes Jahr kam es auf dem Aktionärstreffen zu Tumulten. Diesmal wollen die Abschiebungsgegner auf elektronischem Wege protestieren. Im Rahmen einer "Online-Demonstration" wird dazu aufgerufen, die Internet-Seiten der Lufthansa wie etwa den elektronischen Ticket-Service massenweise anzuklicken und so mit einer "elektronischen Sitzblockade" lahmzulegen.
Die Lufthansa hat bereits mehrfach darauf verwiesen, dass sie die abgelehnten Asylbewerber per Gesetz ausfliegen muss, und dass sie keine Personen gegen ihren Willen mitnimmt. Trotzdem sieht sich die Firma permanent heftiger Kritik und auch illegalen Angriffen etwa durch gefälschte Pressemitteilungen ausgesetzt. "Wir nehmen das sehr ernst", sagte eine Lufthansa-Sprecherin am Freitag mit Blick auf die "Online-Demo". Der Konzern habe zum Schutz seiner Kunden "alle technischen Vorkehrungen und Abwehrmaßnahmen" ergriffen.